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Clowesabend – oder: die kleine Taschenlampe

Liebe Leserinnen und Leser,

heute möchte ich Euch eine kleine Nikolausgeschichte erzählen, welche ich im Vorjahr geschrieben habe. - Habt einen schönen Nikolausabend und eine schönen 2. Advent. (06.12.2020)

Clowesabend – oder: die kleine Taschenlampe

Und plötzlich ist Advent. Wieder einmal sind wir in dem Jahreskreis an dem Punkt angelangt, an dem die Dunkelheit die Helle des Tages immer weiter vertreibt. Eine Zeit, in der sich unsere Sicht nach innen kehrt. Einer Zeit, in der oft eine Besinnung auf die Dinge, die einmal waren, geschieht. Die Geister der Vergangenheit umgeben uns, tragen uns längst vergessene Ereignisse zu.
In meiner Innenschau tauchen Erinnerungen auf, als die Finsternis des Tages mit Angst und Unsicherheit der kindlichen Vorstellung erfüllt war. Dämonen, die sich in den Ecken der Zimmer versteckten. Teufel, die im dunklen Keller des elterlichen Hauses auf mich lauerten. Jedoch auch Erinnerungen an die Weihnachtszeit vergangener Tage.

„Ich bin der kleine Dicke, ich wünsche Euch viel Glügge, ich wünsche Euch 'n langes Lewen, müsst mir auch was Schönes gewen.“ Jedes Jahr zu Nikolaus, am 06. Dezember, zogen wir Kinder in der frühen Dunkelheit durch den Ort, klingelten an Haustüren und besuchten die Geschäfte, um so einen Vorrat an Plätzchen und Süßigkeiten zu sammeln. Ausgestattet mit einem Sack oder Beutel für das Sammelgut, und einer Nikolausmaske ging es durch den Ort. Die Maske war aus Pappe gefertigt, wies einen langen Wattebart auf und wurde mit einem Gummiband am Kopf befestigt. Der eindeutige Geruch dieser Maske steigt mir in der Erinnerung noch immer in die Nase, verbunden mit dem Geschmack der Watte, die beim Sprechen in den Mund hinein reichte. Diese alte Tradition, die in meiner nordhessischen Heimat gelebt wurde, und zum Teil noch wird, trug den Namen Clowesabend. Weihnachtsmärkte, so wie wir sie heute kennen, waren damals eher eine Seltenheit. Der Clowesabend am 06. Dezember war der Einstieg in die Weihnachtszeit und wurde von uns Kindern lange herbeigesehnt.

Am Vorabend des 06. Dezembers wurden Schuhe und Stiefel vor die Tür gestellt, in der sich dann am kommenden Morgen kleine Aufmerksamkeiten befanden. Etwas Obst, selbst gebackene Plätzchen, etwas Schokolade, oder auch ein kleiner Gegenstand. Wenn ich von meinem jetzigen Stand im Leben auf diese frühen Jahre zurückschaue, dann ist mir jedoch kein anderes Nikolausgeschenk in Erinnerung geblieben, wie die kleine Taschenlampe, welche ich in der Vorschulzeit in meinem Stiefel vorfand. Diese kleine Stabtaschenlampe, aus chromefarbenen Blech gefertigt, mit einem mintfarbenen Verschluss und einem in der gleichen Farbe gehaltenen Reflektor. Dieser war an der Seite eingeschnitten, sodass er sich etwas nach oben drehen ließ, um den Radius des Lichtkegels zu verändern. Die Lampe fühlte sich in der Hand kühl an, die regelmäßigen Rillen in dem Blechkörper luden dazu ein, mit den Fingern ihre Form nachzuspüren. Schob man den kleinen Schalter mit dem Daumen nach oben, so trug die kleine elektrische Flamme der Lampe das Licht in die Dunkelheit jener Dezemberabende.



Ich stand auf dem Fußbänkchen am Fenster und leuchtete mit meiner Lampe in die Finsternis. Betätigte ich den Schalter schnell nach oben und unten, so schickte die Lampe meine Signale in die Nacht. In meinem Bett baute ich mir mit der Bettdecke eine Höhle, indem ich diese über meinen Kopf legte und erleuchtete mit der kleinen Lampe den dunklen Raum. Hielt man die Lampe mit dem Reflektor in die Handinnenfläche, so leuchte die Handoberfläche rot. In der Nacht lag die Lampe in meinem Bett neben meinem Kissen. Ihr Schein erleuchtete den Raum und vertrieb so die Dämonen, die mich schrecken wollten.

Kaum ein anderes weihnachtliches Geschenk meiner Kindheit ist mir so in Erinnerung geblieben wie diese „kleine Lampe“. Und kein anderes Geschenk, so erkenne ich heute, symbolisiert so den Sinn der Weihnacht, wie dieser Lichtgeber. Mit ihrer kleinen Flamme brachte sie das Licht zu mir, mit welchem symbolisch die Liebe und die Hoffnung in die finsteren Zeiten des Lebens hinein getragen wird.


© 2019 Hans Jürgen Groß – www.lebensschätze.de



Anmerkung:
Dieser Blogbeitrag wurde ursprünglich auf der Facebook-Seite „Gern geschehen, Melsungen hilft“, die zur Unterstützung der Bevölkerung während der Corona-Pandemie geschaffen wurde, von mir veröffentlicht.


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