Der bunte Fremde, oder: Begegnung im Zug
Der Bahnsteig war überfüllt. Grau in Grau, gedämpfte Stimmen, ein leises Summen der Unruhe. Der Zug nach Erfurt verspätete sich und stellte die Pünktlichkeit meiner eigenen Verbindung infrage, die auf dem gleichen Gleis starten sollte. Ich spüre die vertraute Nervosität in mir aufsteigen – die Sorge, wieder zu spät nach Hause zu kommen und die Kontrolle über meinen Zeitplan zu verlieren. Die Verspätung hatte das gesamte Gleis aus dem Takt gebracht, und auch ich wurde zunehmend unruhiger. In der dichten Menschenmenge wirkte die Masse wie ein träge wogendes Meer. Doch mitten in diesem grauen Strom fiel mir plötzlich ein bunter Leuchtturm ins Auge: ein Mann in einem schrillen Weihnachtspullover – Ende März! Sein langer, ungepflegter Bart rahmte ein markantes Gesicht, das eine eigenwillige, fast trotzige Energie ausstrahlte. Vor sich schob er einen Einkaufswagen mit Gepäck. Ich registrierte ihn sofort – und verspürte instinktiv den Drang, auf Abstand zu gehen. Diese schreiende Farbigkeit, ...