Der Physiker - oder: Von der Frage nach dem Realen
Der Physiker, dem diese kleine, frei erfundene Geschichte gewidmet ist, heißt Max Planck. Er lebte von 1858 bis 1947.
Ihm wird häufig ein Satz zugeschrieben, der seit Jahrzehnten in Büchern, Vorträgen und im Internet kursiert:
„Es gibt keine Materie an sich. Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält … Der Geist ist der Urgrund aller Materie … So scheue ich mich nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu benennen, wie ihn alle alten Kulturvölker genannt haben: Gott.“
Lange Zeit galt dieser Text als Ausschnitt aus einer Rede, die Planck 1944 in Florenz gehalten haben soll.
Heute wissen wir: Eine solche Rede ist nicht nachweisbar und könnte dennoch stattgefunden haben.
Das vermeintliche Manuskript stammt aus dem Nachlass einer Privatperson (Katharina Horsch, über den Sohn Erwin Planck), ist weder datiert noch signiert und wurde ab den 1990er-Jahren von der Max-Planck-Gesellschaft archiviert.
Bereits Werner Heisenberg äußerte 1972 Zweifel an der Echtheit und empfahl, diese Worte nicht als authentische Quelle zu verwenden.
Die MPG betont ausdrücklich: Das Zitat kann nicht als gesichert gelten.
Es wurde ab den 1960er-Jahren vor allem in spirituellen und esoterischen Sammlungen verbreitet und lebt seither als „wanderndes Wort“ weiter – eine Stimme, deren Ursprung im Halbschatten liegt.
Der Zweifel richtet sich an die Provenienz, Datierung, den Kontext, die stilistische Übereinstimmung mit gesicherten Planck-Texten und die fehlende zeitgenössische Publikation.
Er betrifft die Urheberschaft, nicht die inhaltliche Sinnhaftigkeit: Die Grundidee – dass Materie und Geist miteinander verwoben sind – bleibt inspirierend und plausibel im Sinne Plancks bekannter metaphysischer Überlegungen.
Nachklang
Und doch – Worte haben ihre eigene Geschichte.
Manche verlieren ihren Autor, aber nicht ihre Wirkung.
Vielleicht hat Planck sie nie gesprochen. Vielleicht sprach sie die Sehnsucht jener an, die Wissenschaft und Seele versöhnen wollten.
Der Physiker meiner Geschichte lächelt über diese späte Debatte.
Er weiß, dass Wahrheit nicht im Besitz, sondern in der Erfahrung liegt. „Wenn ein Gedanke dich berührt“, würde er sagen, „dann prüfe ihn – nicht nach dem Namen, der daruntersteht, sondern nach der Klarheit, die er in dir hinterlässt.“
Denn was bleibt, ist die Ahnung: Dass Materie und Geist zwei Sprachen desselben Liedes sind –
und dass jede Forschung, die tiefer fragt, irgendwann zur Andacht wird.
Text © 2023/überarbeitet 2025 von Hans Jürgen Groß
Persönliche Anmerkung
Das Dokument beginnt mit dem Satz: „Max Planck auf einem Kongress in Florenz:“Schon diese Überschrift zeigt, dass es sich kaum um ein Schriftstück von Max Planck selbst handeln kann. Sie verweist vielmehr auf eine mögliche Mitschrift oder eine Zusammenfassung aus zweiter Hand, die auf Hörensagen oder nachträglicher Erinnerung beruht.
Diese Form erinnert an die frühen Transkripte der Vorträge Rudolf Steiners. Auch Steiner hatte zunächst keine schriftliche Fixierung seiner mündlichen Darlegungen gewollt, da er die Gefahr der Verfälschung durch das Medium der Schrift sah. Erst nach seinem Tod begann seine Frau Marie Steiner-von Sivers, aus verschiedenen Zuhörermitschriften eine autorisierte Fassung zu rekonstruieren.
So entsteht auch bei dem sogenannten „Florenz-Dokument“ der Eindruck einer nachträglichen Annäherung – einer Deutung, die zwar Plancks Denken zu spiegeln scheint, aber nicht notwendigerweise von ihm selbst stammt. Vielleicht ist es gerade dieses Spannungsfeld zwischen Überlieferung und Ursprung, das dem Text seine eigentümliche Kraft verleiht: Er bewegt sich zwischen wissenschaftlicher Aussage und spirituellem Zeugnis, zwischen belegbarer Realität und überlieferter Vision.
Zusammenfassung:
Hans Jürgen Groß reflektiert in seinem Essay (April 2023) über die Grenzen der Physik und die Natur der Realität. Im Mittelpunkt steht eine fiktive Erzählung um einen Physiker, der erkennt: Materie ist kein statisches Sein, sondern ein Prozess aus Bewegung und Schwingung. Hinter allem Wirken steht Bewusstsein – der unsichtbare Geist als wahre Realität.
Groß beleuchtet kritisch das Max-Planck (1858–1947) zugeschriebene Zitat „Es gibt keine Materie an sich…“, dessen Herkunft umstritten bleibt. Trotz fehlender Authentizität inspiriert es bis heute spirituelle und esoterische Debatten. Die Kernaussage: Materie und Geist sind untrennbar verbunden.
Am Ende betont Groß, dass Wahrheit nicht im Besitz liegt, sondern in der Erfahrung. Forschung wird zur Andacht – Materie und Geist erscheinen als zwei Stimmen desselben Liedes.
