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Der Physiker - oder: Von der Frage nach dem Realen


Es lebte einst ein Mann, der sein Leben der nüchternen Wissenschaft, der Physik, widmete. Er verbrachte unzählige Stunden damit, die kleinsten Teilchen der sichtbaren Welt zu entdecken und zu verstehen. Für ihn waren Logik und wissenschaftliches Arbeiten von großer Bedeutung, da er nicht als Fantast angesehen werden wollte.

Nach vielen Jahren harter Arbeit und Forschung erkannte der Mann, dass Materie nicht wirklich existiert. Stattdessen besteht alles, was wir wahrnehmen, aus winzigen Teilchen, die miteinander verbunden sind und sich bewegen. Da es jedoch keine, sich nicht erschöpfende Kraft im gesamten Universum gibt, die dies bewerkstelligen könnte, kam der Physiker zu dem Schluss, dass es einen bewussten, intelligenten Geist geben muss, der dahintersteckt. Er nannte diesen intelligenten Schöpfer Gott. 

„Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche. Denn die Materie bestünde ohne den Geist überhaupt nicht. Sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist ist das Wahre!“, fasste der Mann seine Erkenntnis zusammen. 

Für ihn war dieser Geist, oder Schöpfer wie der Wind für die Blätter. Der Wind ist unsichtbar, aber seine Existenz wird offensichtlich, wenn er die Blätter bewegt. Auf ähnliche Weise ist der Geist unsichtbar, aber seine Existenz wird durch die materielle Welt offenbart. Der Geist war für den Physiker wie eine geheime Kraft, die im Verborgenen wirkt und den Lauf der Dinge beeinflusst. Wie ein Zauberer, der im Hintergrund arbeitet, verwandelt der Geist die Materie und erschafft etwas Neues und Wunderbares. Die Natur wurde dem Physiker zur Bühne, auf der der Geist seine magischen Kräfte zeigt und sein Publikum verzaubert. 

Deshalb begann er, in der Natur nach Zeichen des Geistes zu suchen, der für die Existenz der Materie verantwortlich ist. Er fand diese Zeichen in der Schönheit der Landschaft, in der Lebendigkeit der Tiere und Pflanzen und in den Augen der Menschen um ihn herum. Der Physiker erkannte, dass er dem Schöpfer nicht nur in seiner Profession nahe war, sondern in noch größerem Masse in der Welt, die ihn umgab. Er verließ die engen Grenzen der Wissenschaft und eröffnete sich eine neue Welt voller Geheimnisse und Wunder.


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Der Physiker, dem diese kleine, frei erfundene Geschichte gewidmet ist, heißt Max Planck. Er lebte von 1858 bis 1947.

Auf einem Wissenschaftlerkongress im Jahr 1942 hielt er folgende Rede: „Meine Herren, als Physiker, also als Mann, der sein ganzes Leben der nüchternsten Wissenschaft, der Erforschung der Materie diente, bin ich sicher von dem Verdacht frei, für einen Schwarmgeist gehalten zu werden. Und so sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms dieses: Es gibt keine Materie an sich! Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält. Da es im ganzen Weltall aber weder eine intelligente noch eine ewige Kraft gibt, so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewussten, intelligenten Geist annehmen. Der Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche, sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist ist das Wahre. Da es aber Geist an sich allein ebenfalls nicht geben kann, sondern jeder Geist einem Wesen zugehört, so müssen wir zwingend Geistwesen annehmen. Da aber auch Geistwesen nicht aus sich selber sein können, sondern geschaffen worden sein müssen, so scheue ich mich nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu benennen, wie ihn alle alten Kulturvölker der Erde früherer Jahrtausende genannt haben: Gott“

Text © 2023 Hans Jürgen Groß

Bildidee und Bearbeitung: © 2023 Hans Jürgen Groß
Bildgestaltung: Bing Image Creator


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