Mut der Veränderung: Ein kleines Foto als großer Schritt (Erinnerung an einen Tag vor 50 Jahren)
Samstag, 12.01.1974
Ich habe mir die Haare schneiden lassen, mein Zimmer umgeräumt und dann ferngesehen sowie Radio gehört. Anschließend habe ich einen Brief mit einem Foto an die Bravo geschickt, in der Hoffnung, als "Junge des Jahres" ausgewählt zu werden.
Aufzeichnung aus meinem Schülerkalender von vor genau 50 Jahren.
1974, ein Jahr, das mir als besonders positiv in Erinnerung geblieben ist. So viele Veränderungen, so viel Umbruch – ein Aufbruch in eine neue Zeit, belastet und angeregt durch die Wunden der Vergangenheit.
Ich wuchs wohlbehütet in einer Kleinfamilie auf. Mein Vater war berufstätig abwesend, meine Mutter Hausfrau. Doch die eigentliche Leitfigur war meine Großmutter, die im Haushalt lebte.
Beide Elternteile waren vom Krieg traumatisiert, jedoch auf unterschiedliche Weise. Mein Vater war friedfertig, emotionale Gefühle abwehrend, aber andererseits Lieder singend und Gedichte rezitierend. Meine Mutter hingegen war schwer traumatisiert, neidisch auf andere und von Ängsten sowie daraus resultierendem Kontrollverhalten geprägt.
So wuchs ich auf – aufgeregt, unsicher und mit einer Essstörung. Mit sechs Jahren betrat ich die Welt der Schule, ohne vorher einen Kindergarten besucht zu haben. Im ersten und zweiten Schuljahr erbrach ich mich täglich im Unterricht und wurde nach Hause geschickt.
Die Schulzeit entwickelte sich zu meinem Trauma. Ich wurde gehänselt, verspottet, gequält und geschlagen – über Jahre hinweg und sogar nach einem Schulwechsel weiter. Unter Tränen und mit Suizidgedanken verbrachte ich zahllose Nächte. Die Sorge um meine Mutter hinderte mich daran, etwas Derartiges zu tun. Ihr gegenüber musste ich all das verheimlichen, was ich in der Schule erlebte. Ich lebte in zwei Parallelwelten, und das Überkreuzen dieser Welten überforderte mich zusätzlich.
Dieser Zustand, über den ich zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht ausführlicher berichten werde, dauerte bis zum Ende meines zweiten Jahrsiebts und erreichte seinen emotionalen Höhepunkt im Jahr 1972, also in dem Jahr an dessen Ende ich 14 wurde.
Das Jahr 1973 brachte erste Sonnenstrahlen, für die kleine Pflanze, die ich war, sich zu orientieren. Die Musik gab eine Ahnung von einem Hauch wartender Freiheit. 1974 brachte dann ein ganzes Paket an Heilungsangeboten mit sich, insbesondere der vierwöchige Schüleraustausch in Südfrankreich bleibt hier in Erinnerung.
In der Retrospektive fällt der Mut und die Willenskraft auf, die eigenen Grenzen neu auszutesten und die mir auferlegten beschränkenden Glaubenssätze von Elternhaus und Schule infrage zu stellen. Ich setzte mich bewusst schwierigen Situationen aus, in der Hoffnung eine veränderte Wahrnehmung durch die Welt herbeizwingen zu können.
"Du bist hässlich, abstoßend, ein Spinner, der hier keinen Platz findet." So könnte man die Aussagen meiner Mitschüler zusammenfassen. Als Reaktion darauf kandidierte ich für die Schulsprecherwahl in diesem Jahr. Ich machte mich bewusst lächerlich, belegte von drei Kandidaten den dritten Platz mit nur 9 Stimmen, wurde aber so Teil eines gleichberechtigten Dreier-Teams der Schulsprecher. Ich widmete mich der Öffentlichkeitsarbeit, entwickelte eine Wandzeitung und erhielt Zuspruch von der Lehrerschaft, wie ich bereits in meinem Artikel auf https://ogy.de/tozw berichtet habe.
Zu Beginn dieses Jahres, also vor genau 50 Jahren, begann nachweislich dieser scheinbare Wandel im Ausloten meiner Grenzen. Ich fotografierte mich heimlich mit einem Stativ in meinem Zimmer und schickte das Bild an die Jugendzeitschrift Bravo, in der jedes Jahr ein Junge und Mädchen des Jahres gewählt wurde. Mein selbst geschossenes Foto schaffte es nicht in die Auswahl der zur Wahl stehenden Bilder. Ob ich damals darunter litt, kann ich nicht mehr erinnern. Sicherlich war ich enttäuscht, aber ich gab nicht auf, mich selbst zu beweisen.
Was mich rückblickend an mir selbst überrascht, ist diese Kraft und der Mut, den beschränkenden Glaubenssatz "du bist hässlich" auf diese Art und Weise in Frage zu stellen und dagegen anzukämpfen.
Für viele der in den ersten 14 Lebensjahren in meinen Rucksack gepackten Gewichte brauchte ich noch Jahre und Jahrzehnte, um sie nach und nach loszulassen.
Dieses Foto, das vor 50 Jahren in die Welt ging, war jedoch eine Initialhandlung auf einem langen Weg der Heilung. Auf dem Bild sieht man an der Wand über mir ein Poster mit Segelschiffen, die damals ein Inbegriff von Freiheit und Weite für mich waren.
Und noch heute wird mein Handeln sicherlich noch durch den damals eingeschlagenen Weg bedingt.
Text und Fotos © 2024 - Hans Jürgen Groß
Zusammenfassung:
Das Jahr 1974 kennzeichnet den Beginn meines Weges der Heilung. Nach Jahren des Mobbings in der Schule setzte ich mich bewusst schwierigen Situationen aus, um meine Grenzen auszutesten und die mir auferlegten beschränkenden Glaubenssätze zu hinterfragen. Mit einem Brief an die Jugendzeitschrift Bravo den ich vor genau 50 Jahren verschickte begann es. Es war der Anfang eines langen Weges, auf dem ich lernte, mich selbst zu akzeptieren und zu lieben.Stichworte: 1974, Heilung, Mobbing, Schulsprecherwahl, Bravo, Selbstliebe, Mut, Lebensschatz, Erinnerung, Mutmachend, Zumuten, Hoffnung
Interpretation durch Google Bard:
Der Text erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der in den 1970er Jahren ein schweres Trauma durchlebt. In der Schule wird er gehänselt, verspottet und geschlagen. Er fühlt sich hässlich und abstoßend und hat Suizidgedanken.Der Wendepunkt in seinem Leben kommt im Jahr 1974. In diesem Jahr schickt er ein Foto von sich an die Jugendzeitschrift Bravo, in der jedes Jahr ein Junge und Mädchen des Jahres gewählt werden. Er hofft, dass sein Foto ausgewählt wird und er so die Anerkennung bekommt, die er sich so sehr wünscht.
Das Foto wird zwar nicht ausgewählt, aber für den jungen Mann ist es ein wichtiger Schritt. Er hat sich selbst in einem positiven Licht präsentiert und damit den beschränkenden Glaubenssatz "du bist hässlich" in Frage gestellt.
Dieser Schritt ist der Anfang eines langen Weges der Heilung. In den folgenden Jahren lernt der junge Mann, sich selbst zu akzeptieren und zu lieben. Er setzt sich bewusst schwierigen Situationen aus und kämpft gegen die negativen Glaubenssätze, die ihm in der Kindheit auferlegt wurden.
Der Text kann als Metapher für den Heilungsprozess von Traumata verstanden werden. Der junge Mann muss sich zuerst seinen Ängsten und negativen Glaubenssätzen stellen, bevor er sich auf den Weg der Heilung machen kann.
Die folgenden Aspekte sind besonders hervorzuheben:
- Die Bedeutung von Selbstliebe und Selbstakzeptanz für den Heilungsprozess
- Die Kraft und der Mut, sich schwierigen Situationen auszusetzen
- Die Bedeutung von Vorbildern und positiven Erfahrungen