Zwischen den Jahren: Begegnungen mit den Geistern der Zeit
Die wilde Jagd kann beginnen: Die erste Rauhnacht erwartet uns. Zwölf Nächte, gehüllt in den Schleier der Dunkelheit, stehen „zwischen den Jahren“ – jene Zeit, in der die Welt den Atem anhält, als wäre sie selbst in einem Traum gefangen. Es ist eine Zeit, in der das Sichtbare und das Unsichtbare ineinanderfließen, eine Schwelle, die uns einlädt, innezuhalten und zu lauschen.
Geister – Erinnerungen, die sich wie ungebetene Gäste in unsere Gedanken schleichen – stören vielleicht unseren Schlaf. Sie sind Botschafter der Vergangenheit, die uns daran erinnern, was noch nicht abgeschlossen ist. Manche treten leise und behutsam auf, andere wild und fordernd, als wollten sie uns wachrütteln. Sie bringen Geschichten, die gesehen, gehört und vielleicht verabschiedet werden müssen.
Wie in Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte begegnen wir in dieser Zeit drei Arten von Geistern: Die Geister der Vergangenheit, die uns alte Wunden und verborgene Schätze zeigen. Die Geister der Gegenwart, die uns anhalten, den Augenblick zu schätzen und bewusst zu entscheiden, was wir bewahren oder hinter uns lassen möchten. Und die Geister der Zukunft, die uns dazu einladen, zu träumen und neue Wege zu erahnen. Diese Begegnungen sind keine Urteile, sondern Einladungen – sie bieten Raum für unsere eigenen Antworten.
Aus einer höheren Perspektive betrachtet, sind die Rauhnächte ein Archetyp des menschlichen Bedürfnisses nach Selbstreflexion in Schwellenzeiten. Sie symbolisieren die universelle Erfahrung des Wandels und die Chance, innezuhalten, bevor der nächste Schritt getan wird. Die „Wilde Jagd“ steht dabei sinnbildlich für das Chaos, das Transformation oft begleitet – eine Einladung, dieses Chaos zu umarmen, es zu ordnen und daraus etwas Neues entstehen zu lassen.
In dieser, heutigen ersten Nacht stelle ich mich der Herausforderung, still zu werden und hinzusehen. Ich setze mich zu den Schatten und flüstere: „Was möchtet ihr mir zeigen?“ Vielleicht werde ich eine Antwort finden, vielleicht auch nur eine Frage. Aber in der Dunkelheit, so sagt man, liegt auch das Versprechen des Lichts.
Jede der folgenden Nächte wird ein neues Kapitel sein, ein Tanz zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen Loslassen und Erschaffen. Es ist ein Ritual, das Ordnung in das Chaos bringen kann, wie ein großer Besen, der die Spuren des Jahres fegt, um Platz zu machen für das, was kommen mag. Doch dieser Besen wird von uns selbst geführt – jeder Strich ein Akt des Willens, der Klarheit und der Hoffnung.
Wirst du dich der Wilden Jagd anschließen? Welche Geister warten darauf, von dir entdeckt zu werden? Die Rauhnächte schenken uns den Raum, um diese Fragen zu stellen – ohne Eile, ohne Druck. Lass uns beginnen.
Öffnet euch für diese Erfahrung und lasst euch überraschen, was euch begegnen mag.
All denen, die sich Führung wünschen, zeige ich nachfolgend einen kleinen beispielhaften Fahrplan für die Rauhnacht-Rituale auf. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass ihr selbst euren eigenen Fahrplan finden werdet, wenn ihr den Geistern der Nacht folgt.
Hier einige Ideen, wie du deine kommenden Tagen strukturieren könntest:
Beispielhafte Struktur für die nächsten 12 Nächte:
Nacht: Die Geister der Vergangenheit
Frage: Welche Erinnerungen aus diesem Jahr fordern meine Aufmerksamkeit?
Ritual: Schreibe einen Brief an das vergangene Jahr. Bedanke dich für die Lektionen und lasse los, was dir nicht mehr dient.
Beitrag: Teile Gedanken oder eine kurze Passage aus deinem Brief.
Nacht: Träume und Botschaften
Frage: Welche Träume oder inneren Bilder zeigen sich mir?
Ritual: Führe ein Traumtagebuch und achte auf wiederkehrende Symbole.
Beitrag: "Heute Nacht habe ich von einem alten Baum geträumt. Vielleicht erinnert er mich daran, dass ich in meinen Wurzeln Halt finde."
Nacht: Die Geister der Gegenwart
Frage: Was fordert jetzt meine Aufmerksamkeit?
Ritual: Eine achtsame Meditation, bei der du dich auf deinen Atem konzentrierst und deine Gedanken ohne Bewertung beobachtest.
Beitrag: Beschreibe einen Moment des Innehaltens, der dich im Hier und Jetzt verankert.
Nacht: Abschied nehmen
Frage: Was möchte ich endgültig loslassen?
Ritual: Schreibe die Dinge, von denen du dich verabschieden möchtest, auf einen Zettel und verbrenne ihn symbolisch.
Beitrag: "Ich habe heute Altes verbrannt – Ängste, Zweifel und die Stimmen, die mich klein halten. Es fühlte sich befreiend an."
5.-12. Nacht: Wünsche, Visionen und Übergang
Jede Nacht könnte einem bestimmten Thema gewidmet sein, z. B. Dankbarkeit, Beziehungen, Selbstliebe, Ziele, Mut zur Veränderung
Ritual: Formuliere Affirmationen oder Intentionen, die dich stärken.
Beitrag: Teile konkrete Visionen, die dich inspirieren, oder Reflexionen über die Themen.
Schluss: Am Ende der Rauhnächte könntest du einen abschließenden Beitrag verfassen: einen Rückblick auf die vergangenen Nächte.
Wie fühlst du dich jetzt im Vergleich zum Anfang?
Welche Erkenntnisse nimmst du mit?
Die Rauhnächte sind eine Einladung, uns mit uns selbst zu verbinden und mit Klarheit in das neue Jahr zu schreiten.
© 2024 - Hans Jürgen Groß
Stichworte: