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Vive la France! Erinnerungen an eine unvergessliche Zeit vor 50 Jahren

Exakt 7:18 Uhr zeigt die Bahnhofsuhr in Carcassonne, auf meinem Foto an. Nach meinen damaligen Aufzeichnungen sollte uns der Zug um 8:46 Uhr, an diesem 2. Mai 1974, von unserem Schüleraustausch nach Hause bringen. Über eineinhalb Stunden Wartezeit lagen also damals noch vor uns.

02. Mai 1974 - Warten auf den Zug
(leider ist das Originalbild in schlechter Qualität)

Heute, 50 Jahre später, erscheint mir diese Reise wie aus einem anderen Zeitalter. 15 Jahre alt war ich, und dieser Schüleraustausch, an dem unsere Gruppe, die aus 11 Personen, 3 Mädchen und 8 Jungen bestand, war ein Abenteuer.

Eigentlich sollte es am 30. März – mit einer kleinen Gruppe aus dem Französisch-A-Kurs nach Nîmes gehen. Doch drei Tage vor der geplanten Abfahrt kam die Schocknachricht: Die Reise wurde abgesagt! Was dann geschah, wäre so heute sicherlich undenkbar: Über private Beziehungen wurden Kontakte nach Südfrankreich organisiert, und am 6. April machten wir uns auf den Weg dorthin, ohne Plan und ohne zu wissen, was uns dort erwarten sollte.

Die ersten Tage verbrachten wir in einer Jugendherberge, bis schließlich doch noch Austauschpartner für uns gefunden wurden. Sowohl von unserer deutschen Seite als auch von den französischen Familien war dies ein großes Wagnis, Spontanität war in den 70ern offenbar noch gefragt.

Unseren Lehrer sahen wir während des vierwöchigen Aufenthalts nur selten. Die französischen Schüler waren etwas jünger als wir und deren Schulalltag ungewohnt: über 8 Stunden Unterricht, Rauchen im Klassenzimmer… Im Deutschunterricht lernten wir sogar Schillers Gedicht „An die Freude“, was für mich Neuland war.

Doch statt stundenlang in der Schule zu sitzen, erkundeten wir lieber die Stadt. Im Stadion der Stadt trafen wir uns, bummelten durch die faszinierende Altstadt und besuchten sogar das Einkaufszentrum Cité Deux, wo es – skurrilerweise – sogar Särge zu kaufen gab.

Foto, welches mich bei einer unserer
Sprungübungen in dem Stadion zeigt.
(April 1974)

Anfangs plagte mich Heimweh, doch die neu gewonnene Freiheit und die vielen neuen Eindrücke ließen es schnell verfliegen. So mancher erste Kontakt zum roten Wein wurde geknüpft, eine erste Ahnung von savoir-vivre entstand. Meine Mutter beklagte sich später, dass alle anderen Eltern Post von ihren Kindern erhielten, sie aber von mir nichts hörte. Doch ich konnte ihr versichern: Mir ging es gut!

Am 2. Mai hieß es dann Abschied nehmen. Fast 24 Stunden dauerte die Zugfahrt zurück nach Deutschland, und am frühen Morgen des 3. Mai kam ich erschöpft, aber glücklich zu Hause an. Nach einem Mittagessen fiel ich sofort in tiefen Schlaf, der bis zum darauffolgenden Tag um 11 Uhr dauerte.

In lustiger Runde, auf der Heimreise

Ende August kamen dann die französischen Austauschpartner zum Gegenbesuch. Im Folgejahr fand der Austausch noch einmal statt, allerdings ohne mich – meine Austauschpartnerin hatte leider keine Zeit. Weitere Reisen nach Südfrankreich fanden in den darauffolgenden Jahren nicht mehr statt. Damit war das Experiment ‘Schüleraustausch’, wie es in der Zeitung hieß, beendet. Der Französischlehrer hatte die Schule bereits zum Schuljahresende verlassen.

Den Zeitungsbericht über unseren Austausch hat meine Mutter aufbewahrt, und ich möchte ihn hier gerne mit euch teilen.

Dieser Schüleraustausch war eines der absoluten Highlights meines Lebens und hat mich tief geprägt. Die Erinnerungen daran sind auch nach 50 Jahren noch sehr lebendig.

Vierzig Jahre später durfte ich noch einmal etwas Ähnliches erleben. Wieder führte mich ein 2. Mai, nach einem längeren, prägenden Aufenthalt, nach Hause. Dieses Mal waren es sechs Wochen gewesen. Und wieder hatte der Beginn dieses Aufenthaltes in einer kleinen psychosomatischen Klinik in der Lüneburger Heide mit einer Terminverschiebung begonnen.

© 1974 / 2024 Hans Jürgen Groß



Felsberg: Abschied mit Gesang


Neue Freundschaften


Felsberg (gmu). Außerplanmäßig hielt der D-Zug Hamburg-Basel in Felsberg. Die Reisenden sahen erstaunt aus den Abteilfenstern auf den sonst sonntäglich leeren Bahnsteig: Laut singend, nahm eine französische Schülergruppe Abschied. Man hatte drei Wochen in deutschen Familien gelebt, Kontakte geknüpft und neue Freundschaften geschlossen.

Die Schüler aus Felsberg waren unter Leitung von Lehrer Vollmers über Ostern vier Wochen in französischen Gastfamilien in Carcassonne gewesen, dem Juwel mittelalterlicher Befestigungsbaukunst in Südfrankreich, und hatten Land und Leute kennengelernt. Ausflüge in die Pyrenäen, an die Purpurküste bis an die spanische Grenze und in die Städte Perpignan und Narbonne waren Höhepunkte der Reise.

Sie nahmen am vielstrengeren Unterricht ihrer französischen Gastgeber teil und feierten Familienfeste mít.

Zunächst Schwierigkeiten

Dabei war der Beginn des Unternehmens zunächst nicht sonderlich erfolgversprechend gewesen. Ein geplanter Austausch über eine internationale Organisation war buchstäblich in letzter Minute ins Wasser gefallen. Die Absage kam drei Tage vor der Fahrt. Durch die Vermittlung der Tochter des Ersten Stadtrats Adolf Herwig (Felsberg), Madame Sarrato, in Peyriac-Minervois Kleinstadt im Begriff, sich mit Malsfeld zu verschwistern konnten in aller Kürze noch Plätze in der Jugendherberge von Garcassonne gebucht werden. Durch das persönliche Bemühen der Deutschlehrerin Madame Molle fanden alle deutschen Schülerinnen und Schüler französische Tauschpartner.

Das nordhessisch-südfranzösische „Experiment" begann

Inzwischen waren nun die Gastgeber in Felsberg, und etliche Tränen beim Abschied bewiesen; der Austausch war ein voller Erfolg. Reisen nach Kassel, an die Zonengrenze, nach Göttingen und Karlshafen standen auf dem Programm.

Die offizielle Abschiedsfeier in der Felsberger Gesamtschule, bei der Bürgermeister Ernst Schaake der Gruppe und den beiden Begleitern, Malacombe und Boulogne, einen Merian-Stich der Stadt überreichte, nachdem er die Geschichte und Struktur der Stadt Felsberg erläutert hatte, zeigte, daß auch die offiziellen Stellen am Gedeihen der Völkerfreundschaft interessiert sind und diese fördern.

Die Verantwortlichen hoffen, daß auch die nachfolgenden Schülerjahrgänge die Erfahrung eines längeren Aufenthaltes in einer ausländischen Gastfamilie machen können. Leider würden in letzter Zeit die Auslandsfahrten deutscher Schüler von der Regierung nur sehr widerstrebend genehmigt, wurde bedauert.

HNA vom September 1974

bearbeiteter Bildauszug, siehe Foto oben

Zusammenfassung:
Vor 50 Jahren begab ich mich auf eine unvergessliche Reise: ein Schüleraustausch, der mich tief prägte. Mit 10 Mitschülern, 3 Mädchen und 7 Jungen, erlebte ich in Carcassonne Abenteuer, die heute noch lebendig in mir sind. Trotz anfänglichen Heimwehs entdeckte ich die Freiheit und das französische Lebensgefühl. Diese Erfahrung war eines der Highlights meines Lebens und hat mich nachhaltig beeinflusst. Die Erinnerungen daran sind auch nach einem halben Jahrhundert noch frisch und lebendig.

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