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Ein 9. November, der mein Leben veränderte

Es gibt Tage, die sich mit ihrem Datum fest ins Gedächtnis der Menschheit eingeprägt haben. Ein solcher Tag ist der 9. November in Deutschland.

Der 9. November ist mit mehreren bedeutsamen Ereignissen verbunden: 1848: Scheitern der Märzrevolution, 1918: Novemberrevolution, 1923: Hitler-Ludendorff-Putsch, 1938: Novemberpogrom (auch bekannt als Reichspogromnacht oder Kristallnacht).

Auch wenn wir diese Ereignisse nicht selbst erlebt haben, so verbindet doch jeder von uns auf seine Weise etwas Persönliches mit diesen Themen. Über die Märzrevolution von 1848 habe ich einmal mit zwei Klassenkameraden einen Aufsatz geschrieben und damit an einem Wettbewerb teilgenommen.

Die Erzählungen meiner Großmutter ließen mich das Geschehen der Novemberpogrome nachempfinden. In Melsungen hatten die schrecklichen Ereignisse bereits einen Tag zuvor stattgefunden; die Erzählungen meiner Großmutter ließen die Gewalt erahnen, die zu dieser Zeit über der Stadt lag. Sie berichtete von zerbrochenen Scheiben und einem aus dem Fenster geworfenen Klavier.

Genau 50 Jahre nach diesen Ereignissen, am 9. November 1988, saß ich in der kleinen Küche in unserer Dachgeschosswohnung am Tisch. Über mir erstreckte sich die Dachschräge, die ich selbst himmelblau gestrichen und mit einem Regenbogen bemalt hatte, der die gesamte Wandfläche einnahm.

Für den Abend hatten wir Karten für eine Veranstaltung in der Melsunger Stadthalle gekauft, bei der Hans-Dieter Hüsch aus seinem Programm vortragen wollte. Bekannt war er aus dem Fernsehen mit seinen Geschichten und Anekdoten, aber seine Stimme war mir ursprünglich aus den zusammengeschnittenen Dick-&-Doof-Filmen im Kinderfernsehen vertraut.

Meine damalige Partnerin Sabine, mit der ich seit 1985 verheiratet war, wollte mit mir reden. So saß ich auf einem der Küchenstühle an dem Tisch, der Platz für zwei Personen bot, und hörte mir an, was sie zu erzählen hatte.

Während ich saß, stand Sabine frei im Raum und eröffnete mir, dass ich Vater werden würde. Aus einem unbekannten Grund hatte ich das Gefühl, es geahnt zu haben. Ja, ich hatte es gewusst, hatte mich innerlich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt und die möglichen Folgen abgewogen, sodass diese Offenbarung zu einer Bestätigung wurde. Eine Bestätigung, die schwer wog. Einerseits stand ich kurz vor meinem 30. Geburtstag, der Ende Dezember bevorstand, und war somit längst in einem Alter, in dem ich dieser Verantwortung gewachsen sein sollte.

Ich hatte gerade meine Dissertationsschrift eingereicht und erwartete die mündliche Verteidigung meiner Arbeit am 13. Dezember. Damit würde auch der Grund für meine Teilzeitbeschäftigung entfallen, der ich montags bis mittwochs nachging.

Ich fühlte mich also reif genug und frei von Verpflichtungen, um mich ganz der neuen Aufgabe zu widmen. Es gab Freude über das Neue, das Kommende, das ich in mir spürte. Aber zugleich empfand ich auch Trauer über das zu Ende Gehende. Auch der Druck und die Erwartungen, die mit dem Vatersein verbunden sind, sowie mein eigener Anspruch, all dem gerecht zu werden, lasteten auf mir. An diesem 9. November 1988 empfand ich zumindest so. Doch dennoch war alles gut und richtig, so wie es war. Ich fühlte mich bereit für diesen neuen Lebensabschnitt.

Die Prüfung im Dezember meisterte ich mit Bravour. Im Frühjahr stand ein Umzug in eine größere Wohnung an, die auch Platz für ein Kind bot. Diese Wohnung war zwar teurer, entsprach jedoch viel mehr meinen Erwartungen, da sie sich fußläufig zur Fulda und zur Innenstadt befand. Am 14. Juli wurde meine Tochter geboren.

Ein Jahr nach diesem für mich unvergessenen Novembertag erinnerte ich mich an diesen Augenblick und alles, was seitdem geschehen war, zurück. Ich war nun in Vollzeit berufstätig, die Tage gehörten der Arbeit und die Nächte waren unruhig und konzentrierten sich um die neue Erdenbürgerin.

An meiner Tür hing jetzt ein Namensschild mit Doktortitel, das mich immer noch auf eine eigenartige Weise wie einen Hochstapler fühlen ließ. Beruflich fühlte ich mich bisher nicht angekommen. Ich suchte, bewarb mich, hatte aber bisher nicht das gefunden, was wirklich zu mir passte.

Die politischen Ereignisse in der DDR verfolgte ich über die Nachrichten. Dennoch überraschte es mich sehr, als am Abend dieses 9. November 1989 in einer Pressekonferenz die Reisefreiheit für DDR-Bürgerinnen und -Bürger verkündet wurde. An diesem Abend war mir jedoch nicht bewusst, welche Auswirkungen dies für uns alle haben würde. Doch bereits einen oder zwei Tage später veränderte sich die Welt um mich herum. Ein Bild, das in den folgenden Tagen entstand, zeigt den ersten Trabi, den ich in Melsungen sah. Schnell war die Stadt von DDR-Bürgern bevölkert, die hier ihr Begrüßungsgeld abholten und es in Waren umtauschten. 

Ich selbst benötigte noch etwa ein Vierteljahr, um zum ersten Mal durch die Straßen Thüringens zu fahren.


"erste Begegnung" mit einem Trabant in Melsungen



Zusammenfassung:
Der 9. November ist ein bedeutender Tag in der deutschen Geschichte. Er ist mit mehreren historischen Ereignissen verbunden, darunter die Novemberpogrome von 1938. Das Erinnern an diese Ereignisse, 50 Jahre später, ist Ausgangspunkt dieser autobiografischen Erzählung, in welcher der Autor an einen persönlichen Moment am 9. November 1988 zurückblickt, als er erfuhr, dass er Vater werden würde. Er beschreibt seine Gefühle der Freude, Trauer und Erwartung, die er an diesem Tag empfand.

Ein Jahr später, am 9. November 1989, fiel die Berliner Mauer. Dieser Tag markierte den Beginn der Deutschen Wiedervereinigung.



Schlagworte:
November, deutsche Geschichte, Novemberpogrome, Vaterschaft, Mauerfall, Deutsche Wiedervereinigung, Autobiografisch, Biografiearbeit


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