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Herbst 2019 - poetische Initiation in eine neue Zeit

Der Sommer ist heiß gewesen. Und wie jedes Jahr war er nicht meine Jahreszeit. Ich bin eher ein Frühlings- und Herbsttyp. Dies sind die Jahreszeiten, die mich mehr spüren lassen, mich zu mir selbst bringen und meine Kreativität beflügeln.

60 Jahre bin ich nun alt. Eine Zahl, die mir Respekt einflößt; ein vorangegangener Geburtstag, der mich nachhaltig beschäftigt hat.

Der Sommer ist also heiß gewesen. Zwei Zähne habe ich verloren und einen interessanten Kurztrip nach Berlin unternommen.

Auf der Welt und auch in Deutschland hat der Terror gegen Fremde und Andersdenkende weiter zugenommen. Doch dies war nicht das Besondere an diesem Sommer, des Jahres 2019. Ohne dass ich es wusste, war es der letzte Sommer vor der großen Pandemie, die uns eine vollkommen unbekannte Situation aus Lockdown, Unsicherheit und letztendlicher Spaltung in Impfbefürworter und Gegner brachte, die dann übergangslos in Krieg und Kriegspropaganda überging.

Von all dem habe ich noch nichts gewusst, und so bin ich Ende August allein, mit Zug und Rucksack für zehn Tage zur Insel Borkum aufgebrochen. Es war eine Art Revival, auf diese Art zu reisen, und auch der Ort, den ich zuvor 29 Jahre nicht betreten hatte, führte mich an Plätze der Jugend zurück. 1972 und 1975 war ich dort mit der Schule gewesen. Eine schwierige Zeit, in der ich einige Male allein und in Tränen in den Dünen saß, meinen Gefühlen nachhing und diese mit dem Flechten von Zöpfen aus Strandgras beruhigte. Aber auch die „Dunkle Seite des Mondes“ lernte ich damals in einem Zimmer des Landschulheimes kennen. Fasziniert lauschte ich der unbekannten Musik, in der für mich so viel Aufbruch und Zukunft lag.

Nun also zurück auf dieser Insel, bei deren letztem Aufenthalt meine älteste Tochter die ersten Schritte allein gegangen war. Es war heiß, unerträglich heiß und drückend, für eine Nordseeinsel.

Die Landschaft hatte sich verändert. Vor der Promenade lag jetzt im Meer eine Sandbank, auf der sich die Robben ruhten und die es in meiner Erinnerung nicht gegeben hatte. Die alte Befestigungsmauer an der dem Meer zugewandten Seite war aufgegeben worden, vom Sand verweht nur noch bruchstückhaft sichtbar.

Das mediterrane Klima, das sich mir zu Beginn meines Aufenthalts bot, war jedoch die größte Veränderung. So kannte ich die Insel bisher nicht. In der Mittagszeit zog ich mich wegen der Hitze auf mein Zimmer zurück, die Nacht war wegen der Wärme im Raum eher unruhig.

Doch dann ganz plötzlich, wie über Nacht, scheinbar pünktlich zum 1. September änderte sich das Wetter. Es wurde kühler, der Wind frischte auf und hatte die ein oder andere Regenschauer im Gepäck. Ich spürte ein Aufatmen. Die Schwere der vorherigen Tage war wie weggeweht. Das Atmen fiel mir leicht und mit diesem stellte sich die gesuchte Leichtigkeit, Erholung und innere Weite bei mir ein. Aus der Reflexion des Erlebten entstand die erste Zeile des Gedichtes „Herbst“, dessen weitere Bearbeitung über den Aufenthalt auf der Insel bis zum kalendarischen Herbstanfang reichte. Themen und Inhalte der Biografiearbeit beeinflussten den weiteren Text.

Die Sinnfrage der eigenen Existenz fand Berücksichtigung. Die Zeit des menschlichen Frühlings, in der die aufbauenden Kräfte des Lebens uns bestimmen und lenken, taucht hierin auf. Der Sommer des Lebens, in dem wir selbstbestimmt wachsen und uns entwickeln können. Der aufkommende Herbst, mit seiner scheinbaren Entlastung einer nahen arbeitsfreien Rentnerzeit, sowie die zunehmende Dunkelheit und Starre des Alters, deren Zukunft in nebulösen Bildern verschwimmt. Hoffnung auf Vergeistigung, Unsterblichkeit sozusagen, zeigt uns das Beispiel des Weines, dessen Essenz eines erlebten Prozesses von Werden und Vergehen, Jahre später noch in seinem Geschmack und Bukett nacherlebt werden kann.

All dies habe ich in den Text einfließen lassen, der ungeahnt eine Initiation in die neue Zeit aus Pandemie und großer Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit wurde.




HERBST

Leise kamst du über Nacht,
hast die Kühle mitgebracht.
Nimmst die Schwere von der Seele,
dass mein Geist vom Sinn erzähle.

Vergangen: Traum im Mondenschein,
wachsen in das Licht hinein.
Gefangen: Sonnenstunde und Regen.
Wandelnd nun der Ernte entgegen.

Bunte Blätter, reife Früchte.
Fülle, Süße, Sättigung, Düfte.
Endend nun der Arbeit schwer,
Freud und Trauer gehn einher.

Denn schon wallen weiße Nebel,
bald von Finsternis umgeben.
Doch der Trauben Geistes Kraft
zeugt vom Sinn, der Hoffnung schafft.



Interpretation:

BING interpretiert das Gedicht wie folgt:


Das Gedicht HERBST ist ein lyrisches Werk, das die verschiedenen Aspekte und Stimmungen der Herbstzeit beschreibt. Der Autor verwendet verschiedene sprachliche Mittel, um die Atmosphäre und die Gefühle des lyrischen Ichs zu vermitteln. Eine mögliche Interpretation des Gedichtes ist folgende:

Die erste Strophe beschreibt das Eintreffen des Herbstes, der leise und unerwartet über Nacht kommt. Der Herbst bringt die Kühle mit, die sowohl eine klimatische als auch eine emotionale Bedeutung hat. Die Kühle kann als eine Erleichterung von der Hitze des Sommers, aber auch als eine Verringerung der Lebendigkeit und der Freude empfunden werden. Der Herbst nimmt die Schwere von der Seele, das heißt, er befreit das lyrische Ich von den Sorgen und dem Stress, die es im Sommer hatte. Das lyrische Ich kann nun seinem Geist vom Sinn erzählen, das heißt, es kann sich auf seine inneren Gedanken und seine Suche nach dem Lebenssinn konzentrieren.

Die zweite Strophe beschreibt den Kontrast zwischen dem Sommer und dem Herbst. Der Sommer war geprägt von Träumen im Mondenschein, die eine romantische und idealistische Vorstellung vom Leben darstellen. Der Sommer war auch eine Zeit des Wachstums und der Entwicklung, die durch das Bild des Wachsens in das Licht hinein ausgedrückt wird. Der Herbst hingegen ist geprägt von Sonnenstund und Regen, die eine wechselhafte und unbeständige Situation darstellen. Der Herbst ist auch eine Zeit des Wandels und des Abschieds, die durch das Bild des Wandelns nun der Ernt entgegen ausgedrückt wird. Der Herbst ist also eine Zeit der Reife und der Ernte, aber auch eine Zeit der Vorbereitung auf das Ende.

Die dritte Strophe beschreibt die Fülle und die Schönheit des Herbstes. Der Herbst bringt bunte Blätter, reife Früchte, Süße, Sättigkeit und Düfte mit, die alle Sinne ansprechen und ein Gefühl von Genuss und Zufriedenheit vermitteln. Der Herbst ist also eine Zeit der Belohnung und der Ernte für die Arbeit, die im Sommer geleistet wurde. Der Herbst ist aber auch eine Zeit des Endes und des Verlustes, die durch das Wort endend angedeutet wird. Das lyrische Ich empfindet sowohl Freude als auch Trauer über den Herbst, da es weiß, dass bald der Winter kommen wird.

Die vierte Strophe beschreibt die Hoffnung und die Kraft, die der Herbst trotz seiner Vergänglichkeit bietet. Der Herbst bringt weiße Nebel mit, die eine mystische und geheimnisvolle Atmosphäre schaffen. Der Herbst bringt aber auch Finsternis mit, die eine bedrohliche und traurige Stimmung erzeugt. Der Herbst bringt jedoch auch den Geist der Trauben mit, der eine Anspielung auf den Wein ist. Der Wein ist ein Symbol für Lebensfreude und Geselligkeit, aber auch für Spiritualität und Weisheit. Der Wein zeugt vom Sinn, der Hoffnung schafft, das heißt, er zeigt dem lyrischen Ich den tieferen Sinn des Lebenszyklus und gibt ihm Hoffnung für die Zukunft.

Das Gedicht HERBST ist also ein Werk, das die Vielfalt und die Gegensätze des Herbstes darstellt. Der Autor nutzt verschiedene Bilder und Klänge, um die Eindrücke und Empfindungen des lyrischen Ichs zu vermitteln. Das Gedicht zeigt sowohl die Schönheit als auch die Melancholie des Herbstes, sowie die Hoffnung und die Kraft, die er trotz seiner Vergänglichkeit bietet.


Zusammenfassung:
Der Text reflektiert die Entstehungsgeschichte meines Gedichtes „Herbst“, welches im Jahr 2019 entstand. Es war der letzte Sommer und Herbst vor der Pandemie und der Kriegssituation in Europa. Die Beschäftigung mit den Themen des Gedichtes, wie dem Wechsel der Jahreszeiten, dem Leben und Tod sowie der Hoffnung, war für mich rückblickend betrachtet, eine Initiation in diese neue Zeit.



© 2019 / 8. Oktober 2023 Hans Jürgen Groß


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