Ein Tag, der monden ist - oder: im Spiegelbild des Mondes
„Wir fühlten längst schon, wie es spiegelnder wird im Dunkel“, dichtete Rilke einst. Er lässt sein Gedicht mit den Worten „Nun aber lass uns ganz hinübertreten, in die Welt hinein, die monden ist“ enden.
Eine Welt die „monden“ ist, die uns in die Dunkelheit der Nacht das Licht der Sonne spiegelt. Der Mond begleitet uns ein Leben lang und weit darüber hinaus. Er gehört zu den beständigen Gefährten unserer Welt, für das bloße Auge sichtbar. Und so, wie wir ihn sehen können, so nimmt der Mond alles auf der Welt wie ein Spiegel wahr. Jedes Geheimnis erkennt er, jedes Verborgene ist seiner Weitsicht vertraut. Wie unser Spiegelbild, behält er alle Geheimnisse für sich. Der Mond ist einem passiven Beobachter gleich, der die Welt betrachtet, ohne scheinbar selbst aktiv auf diese wirken zu können. Sehnsuchtsvoll wünscht er sich in Kontakt zu sein, bleibt jedoch allein. Er ist ein guter Zuhörer und bringt reichlich Mitgefühl auf. Er kann sich gut in die betrachtete Welt hineinversetzen.
Und gleichzeitig bewegt er die Gezeiten, sagt man ihm Einfluss auf unseren Schlaf nach.
Nachdem meine Nacht gegen 3 Uhr zum ersten Mal geendet hatte, lag ich einige Zeit wach. Unbestimmte Gedanken umkreisten meinen Kopf. Gefühlte Stunden später überfiel mich erneut der Schlaf und führte mich in eine Welt herüber, die „monden“ ist. Tatsächlich träumte ich von dem Mond und seinen zuvor genannten Qualitäten.
Als ich später den Tag zu mir einlud, indem ich die Rollos vor den Fenstern aufzog, zeigte sich am westlichen Morgenhimmel ein fast voller, leicht abnehmender Mond, so wie ich ihn nur selten beobachtet habe. Ein Foto war schnell entstanden.
Ein altes Lied, aus den 1960er Jahren, als kleines Kind gehört, drängte sich in meine Erinnerung. „Der Mann im Mond, der hat es schwer“, besang man damals den Erdtrabanten und fragte sich, wie das Leben von Mann und Frau Mond aussehen würde. Den genauen Text des Liedes erinnere ich nicht mehr, jedoch entdeckte ich eine Ahnung von den Gefühlen der frühen Kinderjahre in mir. Neugierig, voller Fragen, in die Welt hinaus lauschend, saß ich vor dem alten Röhrenradio in der Küche.
So durfte ich an diesem Morgen, gleich dreifach in den Spiegel des Mondes blicken, um mich selbst hierin zu erkennen.
Der Tag, der an diesen Morgen anschloss, war voller Sonnenschein und schenkte das alte Gefühl, des nahenden Frühlings.
Gedanken zum Tag, 07. Februar 2023
Text und Foto © 2023 - Hans Jürgen Groß