Translate

Summer of ´69 - Urlaub, All und große Ängste

Aber wenn ich jetzt zurückblicke,
scheint dieser Sommer ewig gedauert zu haben,
und wenn ich die Wahl hätte,
würde ich ihn für immer haben wollen.
Das waren die besten Tage meines Lebens.

Damals, im Sommer '69.
Oh
Es war der Sommer '69
Oh, yeah

(aus: summer of ´69 – Text: Vallance James Douglas / Adams Bryan Guy - Musik: Bryan Adams)

__________________

Nein, ich möchte nicht zurück in diesen Sommer 1969. Und von meinen besten Tagen war ich damals sicherlich so weit entfernt, „wie von hier bis zum Mond“, der genau zu jener Zeit die Menschheit beschäftigte.

© 2022 Hans Jürgen Groß

Knapp drei Jahre zuvor hatte ich begeistert auf unserem ersten Schwarzweiß-Fernseher die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion begleitet. Ausnahmsweise durfte ich an diesen Samstagsabenden nach der Tagesschau, an dem Fernsehereignis teilnehmen. Frisch gebadet, im Schlafanzug und frottiertem Bademantel ließ ich mich in die schwarz und weiße Traumwelt unbekannter Welten entführen. Ein Mehrfachkugelschreiber wurde da schnell zu einer Rakete, mit der ich eigene Abenteuer im Weltraum erdachte und erlebte. Erkauft wurde dieses Fernsehvergnügen mit dem Versprechen, nach der Sendung ohne murren ins Bett zu gehen.

Der Wettlauf um die Eroberung des Weltalls war ein wiederkehrendes Medienereignis dieser späten 60er Jahre, welche in meiner Erinnerung geblieben ist. Im alten heimischen Röhrenradio verfolgte ich die Übertragungen der Apollo-Missionen. Das Runterzählen in einer unbekannten Sprache, bis zum erlösendem Zero. Der Hinweis „die Rakete ist gestartet“, des deutschen Berichterstatters. Das sind die frühen Erinnerungen an diese Zeit. Die Rückkehr der Astronauten in ihrer durch drei Fallschirme getragenen Kapsel erinnere ich hingegen eher visuell. Dies mag daran liegen, dass die bemannten Missionen in eine spätere Zeit fallen, in der unser „neues“ Fernsehen vermehrt die Informationsarbeit des alten Radios übernahm. Die Erfolge des sowjetischen Mitstreiters gingen an mir vorbei, da diesen lediglich ein kleiner Hinweis im hinteren Abschnitt der Nachrichtensendung gewidmet war. Und überhaupt, die Sowjets das waren die Bösen, während wir auf der Seite der Guten standen, die selbstverständlich gottgewollt gewinnen mussten. Das zur gleichen Zeit ein verheerender Krieg in Vietnam herrschte, wo die „Guten“ massenweise Menschen, gegnerische Soldaten und Zivilisten, töteten, konnte ich kognitiv noch nicht miteinander in Verbindung bringen. Ebenso wenig war Thema, dass unser deutscher Vertreter, der eigentliche Mann hinter den Weltraummissionen, Wernher von Braun, einst SS-Sturmbandführer war und jenem „Verbrecher“ diente, der dafür gesorgt hatte „das mein Opa nicht da war“.

Ich weiß nicht mehr, ob mein Vater an diesem Morgen „der Mond ist
aufgegangen“ sang, so wie ich ihn in meiner Kindheit immer singend und Gedichte lesend erinnere. Ebenso wenig weiß ich, ob ich seinen Gesang noch gefällig, oder bereits als peinlich empfand. Wenig Erinnerung ist vorhanden, von diesem Julitag im Sommer 1969, als zum ersten Mal Menschen den Mond betraten. Zweifel ob die Bilder die sich vor dem inneren Auge abrufen lassen, tatsächlich in diesen 21. Juli 69 hinein gehören, oder zu einem anderen Zeitpunkt erlebt worden sind.

Urlaub Falckenstein 1969 (oder 1970) - Foto: Edgar Groß

Es waren Sommerferien, ein Wechsel zu einer weiterführenden Schule stand bevor, für den ich gekämpft hatte. Zum zweiten Mal verbrachten wir einen vierzehntägigen Urlaub auf dem Campingplatz Falckenstein an der Kieler Förde. Unser Zelt war in diesem Jahr viel weiter vom Eingang entfernt aufgebaut, wie bei unserem ersten Urlaub auf diesem Platz. Neben unseren Nachbarn, waren weitere Menschen aus meinem Heimatort mit angereist, die ich zuvor nicht kannte. Diese mir unbekannte Familie, hatte einen kleinen Schwarzweiß-Fernseher dabei. So zumindest meine Vorstellung von diesem Tag. Hieran hatten die Erwachsenen in der Nacht die Mondlandung verfolgt. Wir Kinder konnten später die Wiederholung der verwackelt und verwaschenen Filmaufnahmen sehen; diesen ersten Fußabdruck auf dem Mond, die in der Schwerelosigkeit hopsenden Männer in ihren Raumanzügen.

Nein, ich möchte ihn nicht zurück haben, diesen Sommer 69, auch wenn ich damals hoffte, die Ferien würden ewig dauern. Zuviel Unsicherheit, Angst und schulische Gewalt warteten zu Hause auf mich und stellten eine massive Überforderung des 10-jährigen Jungen dar, der ich damals war.


Beliebte Posts