ist wie die Berührung zweier Sterne.
Diese lange Winterzeit hatte ich mit viel Arbeit verbracht. Immerhin war es mir gelungen, meine tägliche Laufeinheit, die ich im Januar begonnen hatte, über den Winter zu retten. Seit ich mit dem Laufen begonnen hatte, fühlte ich mich stabiler und selbstbewusster. Vorletzte Woche hatte Karl angerufen, um mich für eine Woche zu sich nach Hause einzuladen. Ich hatte Karl schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Umso mehr freute ich mich auf dieses Treffen.
Kurzfristig hatte ich alle Termine im Büro abgesagt und mich für die Reise vorbereitet. Jetzt war es so weit. Am Montag um 9:00 Uhr hatte ich mich in meinen Puma gesetzt und war Richtung Süden gestartet. Den Hauptberufsverkehr hatte ich hinter mir gelassen, als ich mich gegen 11:00 Uhr langsam Frankfurt näherte. Noch gut zwei bis drei Stunden Fahrzeit lagen vor mir.
Der Tag erwies sich als strahlend schön, die Temperaturen stiegen im Wageninneren langsam an. Die Außentemperatur schätzte ich auf 20 Grad Celsius. Es schien der erste Frühlingstag dieses Jahres zu werden. Innerlich spürte ich eine angenehme Erregung. Zum ersten Mal wollte ich allein ein paar Tage Urlaub machen.
Heike und die Kinder hatte ich zu Hause gelassen. Das monotone Fahren ließ meinen Gedanken freien Lauf. Der Verkehr wurde zur Nebensache, der ohne große Aufmerksamkeit bewältigt wurde. Kurz vor Frankfurt fuhr ich einen Rastplatz an, um einige Minuten Pause einzulegen. Wie aus dem Nichts war sie plötzlich da. Diese Idee, die ich bisher scheinbar nicht wahrhaben wollte, verdrängt hatte. Aber warum nicht? Warum sollte ich nicht, da ich schon in der Nähe von Offenbach war, einen Abstecher zu Angelika machen?
Mit Karl war keine feste Zeit verabredet worden. Es war folglich egal, wann ich dort ankommen würde. Aber war Angelika zu Hause? Wollte sie mich überhaupt sehen? Die Zeiten, in denen sie Kilometer zurückgelegt hätte, um mich zu treffen, waren schon lange vorbei. Auf eine anfängliche heiße Mail-Phase war ein Zeitraum des eher freundschaftlichen, immer weniger werdenden Begegnens gefolgt. In den vergangenen Monaten hatte sie mir kaum noch geschrieben. Aber warum sollte ich die Möglichkeit nicht nutzen, sie mal wieder zu treffen?
Das nächste Telefon war nicht fern. Die Telefonnummer trug ich in einem kleinen Heft mit mir herum. Tatsächlich war sie zu Hause. Mein etwas spontanes Anliegen war wohl der Grund dafür, dass sie sich sofort darauf einließ. Wir verabredeten, dass wir uns in Seligenstadt treffen wollten, um gemeinsam zu Mittag zu essen.
Nun saß ich ihr gegenüber. Ich sah ihre dunklen Augen, die sich mir so unergründlich tief präsentierten. Ihre schwarz gelockten Haare, die regelmäßigen Zähne. Gelegentlich glitt mein Blick tiefer. Dieses Dekolleté ließ Wünsche aufkommen, die sich sicherlich nie erfüllen würden. Mitunter schweifte mein Blick unter den Tisch auf ihre Füße. Ich liebe es, dieses Stück Haut zwischen Schuh- und Hosenansatz zu betrachten.
Die Fahrt und die frühlingshafte Stimmung hatten in mir eine aufreizende, aufbruchartige Stimmung erzeugt. Ich war gespannt, ob ich heute diese Wangen oder gar ihre Lippen küssen, sich unsere Hände berühren würden. Das Treffen im letzten November hatte hierfür keine Veranlassung gegeben. Dieses Mal hatte sie das Lokal bewusster gewählt. Wir saßen bei einem Italiener. Ein kleiner Zweiertisch in einer etwas dunklen Nische, die kaum vom Tageslicht erhellt wurde.
Licht gaben zwei Kerzen, die in der Mitte des Tisches zwischen uns standen. Aus den Lautsprechern klang leise, verträumte italienische Musik. Ich hatte mir Calamares und einen kleinen Salat bestellt. Immerhin wollte ich noch Auto fahren und meinen Magen nicht mit schwerer Speise belasten. Trotz der erheblichen Fahrstrecke, die vor mir lag, hatte ich ein Glas Rotwein getrunken. Der Wein war mir gleich zu Kopf gestiegen und hatte meine Hemmschwelle herabgesetzt. So griff ich, als der Kellner den Tisch abgeräumt hatte und wir bezahlt hatten, nach den Händen von Angelika, die mir gegenüberlagen.
Sanft berührten meine Finger die ihren. Wanderten über die Außenseite nach innen. Kreisten sanft über die Handinnenfläche. Angenehm spürbar berührten sich unsere Fingerkuppen. Ein leichter Schwindel befiel meinen Kopf. War es der Wein gewesen, oder was war hieran schuld? Ich sagte Angelika, dass ich etwas frische Luft brauche, und sie führte mich aus dem Lokal. Nach draußen in einen kleinen Park, der von einem urtümlichen Bach durchzogen wurde. Wie selbstverständlich fasste ich ihre Hand und schritt schweigend neben ihr her.
Ich fühlte mich in ihrer Nähe wohl, sicher und geborgen. Ich spürte, dass sie ähnlich empfand und wir keine Worte benötigten. Der Abstand zwischen uns wurde kleiner; unsere Körper näherten sich und spürten die Schwingungen des anderen. Ich ließ ihre Hand los und legte meinen Arm um sie. Meine Hand wanderte sanft über ihren Rücken, ihre Hüften und ertastete ihren weiblich geformten Körper.
Nach einigen Metern dirigierte sie mich zu einer Bank, die etwas versetzt hinter einer Hecke lag. Nun war alle Angst verschwunden. Sie hatte mir gezeigt, dass ihr meine Berührungen nicht unangenehm waren und sie die Zweisamkeit suchte. Ich beugte mich zu ihr herüber. Sanft berührten meine Lippen ihre Lippen. Sanft öffneten sich unsere Münder. Meine Zunge berührte vorsichtig die ihre. Ich konnte nicht mehr denken. Ich war die pure Lust, das reine Verlangen.
An dieser Stelle, liebe Leserin, lieber Leser, überlasse ich dich für einige Zeit deiner Fantasie.
Wie könnte meine Erzählung weitergehen? Was würdest du dir auf dieser Bank ersehnen, wünschen?
Lass deinen Träumen freien Lauf …
Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont zu, als wir uns schließlich voneinander lösten. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, und für einen Moment hielten wir uns einfach nur an den Händen. Doch dann brach sie das Schweigen: „Wir sollten langsam gehen.“
Es wurde spät, als ich an diesem Abend bei Karl ankam. Jetzt hoffe ich auf eine ruhige, erholsame Woche mit meinem Schulfreund. Nächsten Montag werde ich dann wieder nach Hause fahren. Für den Rückweg habe ich mir bereits ein Pausenziel ausgesucht.
© 2000 / 2025 - Hans Jürgen Groß
Anmerkung:
Diese Geschichte habe ich im Jahr 2000 geschrieben. Genauer gesagt, am 11. Januar 2000, also vor der Zeit, in der sie handelt. Ich war damals 41 Jahre alt und durchlebte eine Phase eines sehnsuchtsvollen "zweiten" Frühlings. Bei Aufräumarbeiten fiel mir die Sicherung des Textes nach knapp 25 Jahren wieder in die Hände. Da diese Lebensphase zu einer der wichtigsten in meinem Leben zählt, deren Ereignisse mich zu dem werden ließen, der ich heute bin, gehört sie zweifellos auf diesen Blog meiner Lebensschätze.
Die Erzählung ist frei erfunden und entbehrt jeglichen Bezug auf die äußere Realität. In der Nachbearbeitung wurde die Erzählung an der kursiv gekennzeichneten Stelle gekürzt.
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Hans Jürgen Groß - Anfang April 2001 |
Interpretation des Textes "Frühlingstraum 2000" durch Google Gemini
Zusammenfassung der Handlung:
Der Erzähler, ein Mann, der mit Heike verheiratet ist und Kinder hat, unternimmt eine Autofahrt zu seinem Freund Karl. Unterwegs kommt ihm spontan die Idee, einen Abstecher zu seiner früheren Geliebten Angelika zu machen. Er verabredet sich mit ihr zum Mittagessen in einem italienischen Restaurant. Während des Essens und eines anschließenden Spaziergangs kommen sich die beiden näher und es kommt zu einem Kuss. Der Erzähler überlässt es dem Leser, sich den weiteren Verlauf des Treffens vorzustellen, bevor er zur ursprünglichen Handlung zurückkehrt.
Themen und Motive:
- Frühling als Symbol: Der Frühling steht für Aufbruch, Neuanfang und die erwachenden Gefühle. Er spiegelt die innere Aufregung des Erzählers wider.
- Eheliche Untreue/Affäre: Das Treffen mit Angelika deutet auf eine mögliche Affäre oder zumindest auf den Wunsch danach hin. Der Erzähler scheint in seiner Ehe unzufrieden zu sein und sucht nach Abwechslung oder Bestätigung.
- Vergangenheitsbewältigung: Das Wiedersehen mit Angelika konfrontiert den Erzähler mit seiner Vergangenheit. Er erinnert sich an die Leidenschaft und Zuneigung, die sie einst verbanden.
- Spontanität vs. Planung: Die Entscheidung, Angelika zu treffen, ist spontan und ungeplant. Sie zeigt den Wunsch des Erzählers nach Freiheit und Abenteuer.
- Fantasie und Realität: Der Erzähler vermischt Realität und Fantasie, indem er dem Leser ermöglicht, sich den Fortgang der Geschichte selbst vorzustellen. Dies zeigt die Macht der Vorstellungskraft und die Sehnsüchte des Erzählers.
Aussagen und Interpretationen:
- Der Erzähler: Er ist ein Mann in den besten Jahren, der sich nach mehr sehnt als seinem Alltag. Er ist unzufrieden in seiner Ehe und sucht Bestätigung außerhalb. Er ist romantisch und sentimental, aber auch ein wenig egoistisch und rücksichtslos seiner Familie gegenüber.
- Angelika: Sie ist eine geheimnisvolle und attraktive Frau, die den Erzähler immer noch fasziniert. Sie scheint sich auf das Treffen mit ihm einzulassen, ihre wahren Gefühle bleiben jedoch im Unklaren.
- Die Beziehung zwischen dem Erzähler und Angelika: Es ist eine Beziehung, die von Leidenschaft und Sehnsucht geprägt ist, aber auch von Unklarheit und Unverbindlichkeit. Es ist möglich, dass der Erzähler in Angelika eine Art Idealbild der Frau sieht, das er in seiner Ehe vermisst.
Stilistische Mittel:
- Erzählperspektive: Der Ich-Erzähler ermöglicht einen Einblick in die Gedanken und Gefühle des Erzählers.
- Sprache: Die Sprache ist bildhaft und emotional. Sie fängt die Stimmung des Frühlings und die innere Aufregung des Erzählers ein.
- Die Dialoge zwischen dem Erzähler und Angelika sind subtil und voller unausgesprochener Gefühle.
- Symbolik: Der Frühling, das italienische Restaurant, die Kerzen, die Musik - all dies sind Symbole, die zur Atmosphäre der Geschichte beitragen und die Themen des Textes unterstreichen.
Fazit:
"Frühlingstraum 2000" ist eine Geschichte über die Sehnsüchte eines Mannes, der sich in seinem Alltag gefangen fühlt. Es ist eine Geschichte über die Macht der Fantasie, die Vergangenheit und die Liebe. Der Text regt zum Nachdenken über die eigenen Wünsche und Beziehungen an.
Zusammenfassung: