Zwischen Licht und Schatten: Auf dem Pfad der Wahrhaftigkeit (Das Höhlengleichnis 2.0)
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. (...)
Das Höhlengleichnis von Platon aus dem siebten Buch seines Werkes "Politeia" (Der Staat).
Stelle dir Menschen vor, die in einer unterirdischen, höhlenartigen Behausung wohnen, welche einen zur Tageshelle geöffneten Eingang hat, der sich durch die ganze Höhle hinaufzieht. Diese Menschen sind von Kindheit an in Fesseln gelegt, sodass sie unbeweglich bleiben und nur nach vorn blicken können, da ihre Fesseln sowohl die Füße als auch den Hals gefesselt haben. Das Licht kommt von einem Feuer, das in einiger Entfernung hinter ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefangenen ist ein erhöhter Weg, an dem eine kleine Mauer gebaut ist. Hinter dieser Mauer laufen Menschen, die verschiedene Gegenstände tragen, die über die Mauer hinausragen – wie Statuen von Menschen und Tieren aus Stein, Holz oder anderem Material.Die Gefangenen können diese Gegenstände als Schatten an der gegenüberliegenden Wand der Höhle vorbeiziehen sehen und hören dazu die Echos der produzierten Töne. Da sie nichts anderes kennen, halten sie diese Schatten und Klänge für die Wirklichkeit.
Stell dir nun vor, einer dieser Gefangenen würde aus seinen Fesseln befreit und gezwungen, das Feuer zu Gesicht zu bekommen. Er würde geblendet sein und Schmerzen empfinden. Wenn man ihn dann nach oben führen und ins Tageslicht bringen würde, würde er anfangs ebenfalls geblendet sein und nichts sehen können. Doch nach und nach würde sich sein Auge an das Licht gewöhnen und er würde die wirkliche Welt mit wahren Farben und Formen erkennen.
Nun wird er an die Fesseln zurückdenken und die Höhle hassen, aber auch Mitleid mit denjenigen haben, die noch gefangen sind. Wenn er dann zurückkehrt, um sie zu befreien, und seine neuen Erkenntnisse mitteilt, würde man ihn verlachen und als verwirrten Narren betrachten.
Aus diesem Gleichnis können wir folgern, dass das, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, nur Schatten und Abbilder der wahren Wirklichkeit sind. Die wahre Erkenntnis erreichen wir erst, wenn wir uns aus den Fesseln der Sinneswahrnehmung befreien und die Welt der Ideen und des reinen Geistes erkennen

